Tag papabuch
Lieber Papa Da sind wir nun also. Schlagen ein neues Buch auf. Eines, in dem alles dreht. Und doch bleibt. Du erinnerst dich nicht an das, was nun kommt. Zwar hast du es erlebt, aber nur für dich. Du hast wenig davon gesprochen. Es reichte wohl schon, dass es so war, darüber reden musste man … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Kürzlich las ich ein Buch von Paul Auster. Darin schrieb er diesen Satz: „…weil du immer geglaubt hast, er würde ein hohes Alter erreichen, hat es dich nie gedrängt, den zeitlebens zwischen euch hängenden Nebel zu lichten.“ Ich dachte an dich. An uns. Wir haben auch geschwiegen. Sassen im Nebel und sahen nicht … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Schreiben hilft, zu verstehen. Das las ich mal. Im Moment scheint mir, ich verstehe immer noch weniger. Und immer wieder ist da diese Stimme in mir. Du willst das alles gar nicht hören. Noch immer nicht. «War doch alles gut. Wir hatten es doch schön.» Das waren immer deine Worte. Sie hatten für … ... mehr auf denkzeiten.wordpress.com
Lieber Papa Erinnerst du dich? Ich kam zu spät. Der Geburtstermin war auf den Silvester 1972 berechnet worden, ich liess mir bis zum 7. Januar Zeit. Niemand wusste, was ich werden sollte, also hattet ihr zwei mögliche Namen, Daniel oder Sandra. Wenn wir auf dieses Thema kamen, erzähltest du oft, wie es zu diesen Namen … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Ach Papa, du warst und bist so vieles für mich. Und wenn ich hier so schreibe, merke ich, wie sich die Dinge hin und her bewegen. Mal ist es düster und ich denke, das tut dir unrecht. Dann möchte ich es fröhlicher machen, möchte das Dunkel aufklären. Und merke bald darauf, dass es … ... mehr auf denkzeiten.wordpress.com
Lieber Papa Kürzlich fuhr ich zum Einkaufen. Es war der erste Schultag nach den Sommerferien, meine Strecke führte am Kindergarten vorbei. Da sah ich sie. All die kleinen Kinder mit ihren Müttern, die ihren ersten Tag im Kindertag vor sich hatten. Einige liefen stramm und zielstrebig, zogen ihre Mütter förmlich hinterher. Sie fühlten sich sichtlich... mehr auf denkzeiten.wordpress.com
Lieber Papa Wenn ich ein Glas Wein trinke, esse ich gerne Salzbrezeln dazu. Andere bevorzugen Chips oder Nüsse, bei mir sind es die Salzbrezen. Nicht alle, nur die, welche knacken und wirklich salzig sind. Wenn ich sie esse, denke ich oft an früher. Damals gab es in Restaurants diese Körbe mit Chips, Nüssen, Salzstangen und … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Erinnerst du dich? Als du 66 wurdest, schenkte ich dir zum Geburtstag eine CD von Udo Jürgens, die «Mit 66 Jahren» hiess. Seine grössten Hits waren drauf, Lieder, die ich natürlich von viel früher kannte und doch nicht mehr präsent hatte. Bevor ich sie dir gab, hörte ich selbst rein. Und war gefesselt. … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa „Du hattest es schön! Du hattest eine heile Familie.“ Das hörte ich mal. Es war nicht positiv gemeint, sondern als Vorwurf. Von jemandem, der fand, er selbst hätte das nicht gehabt. Diese heile Familie. Und schön wäre es drum bei ihm nicht gewesen. Ich sei privilegiert. Das wollte er mir sagen. Und ja, … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Kürzlich las ich, dass immer mehr Kinder und Jugendliche ihr Geschlecht ändern wollen, weil sie sich im falschen geboren fühlen. Ich weiss nicht, ob es das gleiche Gefühl ist, das ich auch hatte. Ich wäre lieber ein Junge gewesen. Erinnerst du dich? Du warst alles andere als erfreut darüber. Ich kann meinen Wunsch … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Erinnerst du dich an Käsli? So nanntest du ihn immer. Das war leider das einzige, was mich im Zusammenhang mit ihm zum Lachen brachte. Er war ein Sadist. Und mein Lehrer. Er schikanierte mich, wo er nur konnte. Er demütigte mich. Im Sport kam er auf seine Kosten, denn da bot ich eine … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Irgendwann hatte ich es geschafft. Ich hatte das Gewicht erreicht, das ich erreichen wollte. War ich zufrieden? Ich weiss es nicht mehr. An einem Abend ging ich zu einer Klassenfete. Ich tanzte den ganzen Abend. Als ich am nächsten Morgen auf die Waage stieg, hatte ich ein Kilo weniger. Das war zwar keine … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa „Man kann alles erzählen, nur nicht sein wirkliches Leben.“ Max Frisch Ich schreibe dir Briefe, einen nach dem anderen. Ich stelle Fragen, die schon so lange drehen. Ich kriegte nie Antwort. Ich habe versucht, sie selbst zu finden. Ich fand welche, nur um sie wieder zu verwerfen. Habe ich irgendwann zu hoffen aufgehört, … ... mehr auf denkzeiten.wordpress.com
Lieber Papa Nun war ich also im Krankenhaus. Du warst gegangen. Ich war allein. Und fühlte mich unsicher, aber voller Hoffnung. Ich hoffte, dass sie mir einen Schlüssel aus meinem Gefängnis geben könnten. Dass sie einen Weg kennen, der hinausführt. In die Freiheit. Wie falsch ich doch lag. „Sie sind bei uns auf der medizinischen … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Die Reise ging weiter und weiter. Während du im Bett lagst, verschwand immer mehr von dir. Das Leben zog mehr und mehr aus. Und in mir wuchs die Leere. Irgendwann kam der Moment, als sie nochmals reden wollten. Alle miteinander sollten wir darüber reden, wie es weitergehen solle. Weitergehen? «Papa kann heim.» Sagte … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Wie du dalagst, wenn ich kam. So lieb. So schmal. Immer ging mir das Herz auf. Um sich dann vor Schmerz wieder zu verkrampfen. Weil mir bewusst war, dass ich dich nicht mehr lange so daliegen sehen würde. Wobei du gar nicht daliegen solltest. Du solltest durch die Berge wandern, deine geliebten Kreuzworträtsel … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Kürzlich bin ich beim Aufräumen auf ein Foto von dir gestossen. Auf dem Bild lachst du. Richtig gelöst und fröhlich. Entspannt. Hatte ich dich oft so erlebt? Vor allem in den späteren Jahren wirktest du oft angespannt. Eine Falte auf der Stirn, die Augen leicht zusammengekniffen. Was hat dich so angestrengt? Das Leben, … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Wenn ich in Spanien bin, sehe ich sie oft: Die Familien, die am Wochenende oder an Feiertagen an den Strand fahren und dort ein zweites Wohnzimmer aufbauen. Alle helfen mit. Sie haben an alles gedacht: ein Zelt, Sonnenschirme, Tische, Stühle, Liegen, Kühltruhen und Essen. Berge von Essen. Ganze Buffets werden aufgestellt. Alle reden ... mehr auf denkzeiten.wordpress.com
Lieber Papa Erinnerst du dich an meine ersten Schritte in der Musik? Blockflöte war’s. Im Kindergarten, ich war wohl etwa 5. Ich erinnere mich nicht mehr an das Spielen selbst, ich erinnere mich nur noch an die goldenen und silbernen Sternchen, die wir ins Heft kriegten, wenn wir gut übten. Die Schlechtesten kriegten nichts, dann … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Bei Lichte betrachtet waren es ja nicht nur wir drei. Da waren noch mehr. Andere. Zum Beispiel meine Grosseltern. Ich kannte sie kaum. Deine Eltern etwas besser, die von Mama praktisch nicht. Und zum ganzen Rest der Familie bestand keine Verbindung. Zumindest nicht für mich. Erinnerst du dich? Als ich noch klein war, … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Kürzlich las ich in einem Buch dieses Zitat: «Ich war so traurig an diesem Abend; ich begriff mit einer Klarheit, wie nur zu wenigen anderen Zeiten meines Lebens, dass die Isolation meiner Kindheit, die Angst und die Einsamkeit, mich nie ganz loslassen würden. Meine Kindheit war ein einziger Lockdown gewesen.»Elizabeth Strout Weisst du,... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Ich musste zu dir. So schnell wie möglich. Um 7 Uhr stehe ich an der Bushaltestelle. In meiner Tasche ein Buch, ein Notizbuch und in mir angespannte Unsicherheit und Nervosität. Was erwartet mich? Wie treffe ich dich an? Normalerweise sitze ich um diese Zeit zu Hause an meinem Pult und schreibe die ersten … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Das fühlte sich alles nicht gut an. All die offenen Fragen. So viel, das ich nicht verstehen konnte. Gerade war alles noch gut gewesen. Und nun? Stand alles in der Schwebe. Ich konnte nichts tun. Dir nicht helfen. Nichts sagen, denn alles wirkte nur platt. «Das wird schon wieder.» «Du schaffst das.» Würde … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Neues Jahr, neues Glück heisst es. Das würde nicht so sein dieses Jahr. Der Arzt brachte die Botschaft zum neuen Jahr: «Wir haben neue Ableger gefunden. Auf der Niere.» Nun also auch die Niere. Der Krebs annektierte Stück für Stück des Körpers. Er frass sich durch die Zellen und ebenso durch uns. Er … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Vor kurzem war ich mit Freunden an einer Degustation. Es gab ein kleines Apéro-Plättchen mit einem Glas Rotwein und einem Glas Weisswein für jeden. Plötzlich kam die Idee auf, wir könnten die Gläser kreisen lassen, damit alle von allen Weinen probieren können. «Das geht nicht.» Sagte in mir eine Stimme. Laut. Ermahnend. Zur … ... mehr auf denkzeiten.wordpress.com
Lieber Papa Auf der Suche nach Erinnerungen blätterte durch ein Album und stiess auf ein Foto. Mama und ich auf Skiern. Ich bin etwa sieben Jahre alt. Das Foto irritiert mich, denn ich merke, dass ich mich beim Skifahren nur an dich und mich denke. Ich weiss, dass Mama immer dabei gewesen ist. Ich erinnere … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Ich liebte Bücher. Erinnerst du dich? Ganze Nachmittage konnte ich auf dem Bett liegend mit einem Buch in der Hand verbringen. Ich liebte es, einzutauchen. In Geschichten. In andere Welten. Und vermutlich liebte ich auch, aus meiner flüchten zu können. Du fandest, ich müsse mehr raus. Ich könne mich nicht nur zu Hause … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Erinnerungen sind geschmeidig. Sie lassen sich formen. Manchmal ist auch nicht klar, ob ich etwas wirklich selbst erlebt oder nur gehört habe. Wenn etwas immer wieder erzählt wird, fühlt es sich plötzlich so an, als wäre es erlebt. Dann glaube ich, ins eigene Erinnern zu greifen, wenn ich daran denke, während ich in … ... mehr auf denkzeiten.wordpress.com
Lieber Papa Ich bin müde vom Schreiben, vom Erinnern. Vom Schreiben über das, was war. Ich frage mich, wieso ich es tue. Und dann erinnere ich mich an die Energie, die dieses Erinnern und das darüber Schreiben ausgelöst hat. Immer wieder. Als ich damit anfing, war es, als wäre ein Ventil aufgegangen und alles sprudelte … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Ich mochte vieles an der Schule nicht, ganz schlimm fand ich die Elternbesuchstage. Erinnerst du dich auch? Es muss einer der ersten gewesen sein. Meine Tischnachbarin sagte etwas zu mir, ich musste lachen. Die Lehrerin schaute uns an, machte weiter. Sie schimpfte nicht. Das machtest du dann zu Hause. Ich hatte mir solche … ... mehr auf denkzeiten.com
Lieber Papa Ich blättere mich weiter durch die Seiten des Albums. Ich arbeite mich von Bild zu Bild, stöbere in meiner Vergangenheit. Was mir auffällt: Ich lache kaum je auf den Bildern. Das deckt sich mit meinen Erinnerungen. Doch dann stosse ich auf ein Bild, auf dem ich glücklich aussehe. Ich stehe inmitten einer Schar … ... mehr auf denkzeiten.wordpress.com
Nachwort Mondnacht„Es war, als hätt‘ der HimmelDie Erde still geküsst,Dass sie im BlütenschimmerVon ihm nun träumen müsst. Die Luft ging durch die Felder,Die Ähren wogten sacht,Es rauschten leis‘ die Wälder,So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannteweit ihre Flügel aus,flog durch die stillen Landeals flöge sie nach Haus.“ (Joseph von Eiche... mehr auf denkzeiten.com